Erfurter Schachklub » Reflektionen über Remis oder darf ein IM das (einfach weiter spielen)?
Erfurter Schachklub


16.09.2016 - 19:07 von Rudolf Ruether


Ein Bericht von Christian Troyke

Hier noch eine kleine Episode zum nachdenken oder schmunzeln, ganz wie man will. Rückblende - Schnellschachturnier in Hoyerswerda (siehe den ausführlichen Bericht von Cassi), 12. Runde, ESK 2 gegen ASP Hoyerswerda 1. Leider völlig bedeutungslos, da beide Mannschaften unter ihren Möglichkeiten spielten. An Brett 2 GM Jiri Lechtynsky (GM mit Elo 2365) mit Weiß gegen mich. Königsindisch mit g3, schnell runtergespult. Lechtynsky (im folgenden JL) opfert eine Figur, wohl mit der Intention diese kurzfristig mit Zinsen zurück zu bekommen. Aber, man ahnt es, dieses Opfer ging trival nicht, da ich besagte Zinsen (man schaue mal an die Kapitalmärkte und wie die Versicherungsgesellschaften schon stöhnen) einfach einbehalten habe. Kurz und gut, nach ein paar weiteren Zügen hatte JL drei Bauern für die Figur. Ich habe dann so schnell wie möglich alle Bauern JL´s eingesammelt und er dafür alle meine verbliebenen Bauern abgetauscht. Der richtende Leser ahnt es bereits? Turm und Springer (ich) gegen Turm (JL). Ironie der Geschichte ist es, dass ich exakt in der Runde vorher die gleiche Materialverteilung gegen mich hatte. Ein Remis-Angebot meinerseits in der Vorrunde wurde ignoriert und ich verlor in Zeitnot schnell Faden und Turm durch Springergabel. Ein weiteres prominentes Beispiel ist mein Mannschaftskollege GM Peter Enders. Peter hatte bei der kürzlich in Radebeul durchgeführten Senioren-WM besagtes Endspiel ebenfalls auf dem Brett. Und, was soll ich sagen, Peter hätte aufgrund eines Fehlers seines kanadischen Gegners tatsächlich in großem Stil im 48. Zug zwangsläufig gewinnen können (hat es aber leider zum Remis versemmelt).
Eigentlich ist das alles ja theoretisch Remis, ich selbst bin in Bedrängnis nicht auf die Idee gekommen ein Remis beim Schiri zu reklamieren. Nach neuesten FIDE-Regelungen kann man dann in einem solchen Fall auf Bonus-Bedenkzeit umstellen und zumindest nicht mehr ausgedrückt werden.
Aber zurück zu Runde 12 - JL, bekannter Choleriker, hielt es nicht für nötig Remis zu bieten. Stattdessen sprang er lauthals auf und radebrechte etwas von das wäre jetzt Remis (ob mir das nun passe oder nicht). Störte dabei massiv die Nebenbretter. Ich habe erstmal darauf bestanden, dass dies jetzt weiter gespielt werden müsse - Spaß muss sein, gerade bei Cholerikern. Großes Tohuwabohu, Schiri kam und versuchte JL zu beruhigen. Schiri brachte DGT-Uhr und stellte den Bonus-Modus ein und versuchte JL zu erklären, dass er jetzt weiter spielen müsse. JL - ganz aufgebracht - stellte darauf hin prompt die Sinnhaftigkeit der FIDE-Regeln in Frage. Mittlerweile hatte sich natürlich ob des ganzen Aufruhrs eine hübsche Traube um unser Brett gebildet. Dabei bemerkte ein namentlich nicht genannter Berliner IM im Brustton der Überzeugung, dass es sich doch nun wirklich und absolut nicht gehöre gegen einen GM mit Springer und Turm gegen Turm auf Gewinn weiter zuspielen. Das mache man einfach nicht, das ist doch ein GM.
Von Bestandsschutz habe ich diesbezüglich noch nichts gehört - daher hier eine Frage: wo fängt es an, wo hört es auf. Bei GM gegen IM, bei IM gegen FM, bei ELO 2200 gegen 2000?
Natürlich hat JL dann über die 50-Züge- Regel locker das Remis gehalten, das muss man ihm lassen. Inwieweit der erhöhte Puls irgendwelche anderen Nebenwirkungen gezeigt hat, kann ich nicht sagen.

Christian Troyke
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